Neues der Deutschen Gesellschaft für Kosmetische Zahnmedizin

» 22.01.2013 Vorhersagbare Ästhetik mithilfe der GBR


Mit der GBR steht dem Operateur eine Therapiemethode zur Verfügung, mit der sich eine große Bandbreite an Situationen erfolgreich und vorhersagbar behandeln lassen. Bei dieser Technik wird simultan zur Implantation verlorenge­gan­gener Knochen mit autologem und alloplastischem Material ersetzt. Gleichzeitig erlaubt dieses Verfahren die Zahl der Eingriffe zu minimieren, die Heilphasen kurz und die Morbidität gering zu halten.

Das Thema Implantologie hat in der öffentlichen Wahrnehmung in den letzten Jahren einen zunehmend höheren Stellenwert erlangt. Das ist auf der einen Seite erfreulich, auf der anderen Seite sind die Anforderungen, die an das Ergebnis einer solchen Versorgung gestellt werden, ebenfalls gewachsen. Zudem ist der Patient in der Regel von der Aussicht auf aufwendige, ggf. mehrzeitige Eingriffe, postoperative Morbidität und lange Einheilphasen abgeschreckt. Für uns Behandler bedeutet das, sich nicht nur um das bestmöglichste Ergebnis Gedanken zu machen, sondern auch den „patientenfreundlichsten“ Weg dorthin zu finden.
Seit der Einführung der Implantologie in die Zahnmedizin hat dieser Bereich eine rasante Entwicklung vollzogen. Wurden anfänglich Implantate vor allem zur Versorgung zahnloser Kiefer verwendet, ist die Indikation heute erheblich ausgeweitet. Ein Großteil der Indikationen in der heutigen Praxis sind Schaltlücken und Freiendsituationen. Zudem hat sich der Anspruch an das Behandlungsergebnis extrem gewandelt. Bestand früher ein Behandlungserfolg darin, dass das Implantat fest eingeheilt war, wird dies heute als normal vorausgesetzt und stattdessen Ästhetik und Langzeitstabilität als Maßstab angelegt. Für den Patienten mindestens ebenso wichtig ist die Beantwortung der Fragen, wann das Implantat versorgt werden kann, wie viele Eingriffe notwendig sind und mit welchen postoperativen Schmerzen und vor allem mit welchem Kostenfaktor zu rechnen ist. Mithilfe heutiger diagnostischer Möglichkeiten (DVT) sind wir sehr wohl in der Lage, die
Situation präzise einzuschätzen. Die Herausforderung besteht nun darin, aus dem Strauß an verschiedenen Therapieoptionen die am bes­ten geeignete auszuwählen.
Ästhetik
Beim Verlust einzelner Zähne im ästhetischen Bereich stellt sich somit immer die Frage, welche Schritte bis zur endgültigen Versorgung eingeleitet werden und welcher Therapieaufwand für ein gutes Ergebnis nötig ist. Speziell bei Frontzahnrekonstruktionen sollte eine ästhetische Risikoanalyse am Anfang stehen. Denn nur nach Analyse sämtlicher Daten lässt sich feststellen, ob ein optimales Behandlungsergebnis gewährleistet ist. Die ästhetische Risikoanalyse be­inhaltet vor allem die Abfrage der folgenden Faktoren: die Patientenerwartung, den Lachlinienverlauf, den Biotyp der Gingiva, die Höhe und Breite von Hart- und Weichgewebe sowie den Zustand der Nachbarzähne. Ebenso spielen der Infektionsstatus der Implantationsstelle und die Knochenhöhe an den Nachbarzähnen eine entscheidende Rolle.
Ist bei Behandlungsbeginn der zu entfernende Zahn noch in situ, gilt es abzuwägen, ob direkt nach Entfernung des Zahnes mittels Ridge Preservation ein Kollabieren der Alveole vermieden werden sollte. Zwar kann hierdurch ein vollständiges Einbrechen der Alveole vermieden werden, dennoch ist der Bündelknochen, in den die Parodontalfasern in­serieren, nicht zu erhalten. Ein Resorbieren der zervikalen Anteile des vor allem vestibu­lär dünn auslaufenden Alveolarknochens ist hierdurch also nicht zu verhindern. Die Standzeiten des Füllerkörpers und somit die Zeit bis zur eigentlichen Implantat-OP unterscheiden sich abhängig vom Material (autolog, autogen oder alloplastisch) und liegen zwischen zwei und sechs Monaten. Die Kosten je nach Vorgehen (mit oder ohne Membran) sind nicht un­erheblich, im Falle einer Punchentnahme ist die zusätzliche Morbidität durch den Zweit­eingriff zu berücksichtigen. In Fällen, die nach Erstellung der ästhetischen Risikoanalyse ein erhöhtes Risiko verzeichnen, ist trotz Ridge Preservation häufig eine Rekonstruktion im vestibulären Bereich simultan zur Implantation nötig, um vorhersagbare Ästhetik und eine gute Langzeitstabilität zu schaffen. Treten größere Defekte auf, z.B. durch eine Zyste oder einen vestibulären Knochenabbau infolge einer Vertikalfraktur, gilt es auszuloten, inwieweit ein einzeitiges Verfahren zum gewünschten Ergebnis führen kann. Gegebenenfalls ist ein zweizeitiges Vorgehen mittels Knochenblock zu bevorzugen.

Knochenregeneration
Mit der Guided Bone Regeneration (GBR) steht dem Operateur eine Therapiemethode zur Verfügung, mit der sich eine große Bandbreite an Situationen erfolgreich und vorhersagbar behandeln lassen. Bei dieser Technik wird simultan zur Implantation verlorenge­gan­gener Knochen mit autologem und alloplastischem Material ersetzt. Gleichzeitig erlaubt dieses Verfahren die Zahl der Eingriffe zu minimieren, die Heilphasen kurz und die Morbidität gering zu halten. Durch die Reduktion auf nur einen Eingriff lassen sich die Kosten ebenfalls auf ein für den Patienten erträgliches Maß verringern. Im Regelfall ist es ausreichend, die Extraktionsalveole mit einem Kollagenkegel zu versorgen. Die eigentliche Implantat-OP erfolgt dann sechs Wochen später. Dieser Zeitpunkt ist sinnvoll, da die Weichgewebsheilung dann schon so weit fortgeschritten ist, dass eine geschlossene Schleimhautdecke besteht. Dies ist für die Lappenbildung und den dichten Wundverschluss über der Membran später wichtig.
Gleichzeitig ist es approximal noch zu keinem Abbau von Knochen gekommen. Dies ist entscheidend, da die Höhe des am Nachbarzahn stehenden Knochens die spätere Papillenhöhe festlegt und so für das spätere ästhetische Ergebnis von ausschlaggebender Bedeutung ist. Das Einbringen von Eigenknochen oder Knochenersatzmaterial im Zuge einer Ridge Preservation hat automatisch zur Folge, dass sich die Zeitspanne bis zum Implantateingriff verlängert. Abhängig vom verwendeten Material dauert die Ossifikation zwischen zwei und sechs Monaten. Bei einem zu frühen Herangehen an den Situs wird das partikuläre Material wieder entfernt, ohne dass es seine Wirkung erzielen konnte. Für ein ästhetisch optimales Resultat ist es wichtig, das Implantat in allen drei räumlichen Ebenen korrekt auszurichten. Optimal ist eine Lage der Implantatschulter innerhalb der drei räumlichen Komfort­zonen. In diesem Fall sind die Voraussetzungen für einen optisch perfekten Zahnersatz mit langfristig stabilem Weichgewebe gegeben. In der mesiodistalen Ebene sollte der Abstand der Implantatschulter zur Wurzeloberfläche des Nachbarzahns mindestens 1,5mm betragen. Wird dieser Mindestabstand unterschritten, besteht die Gefahr des interdentalen Knochenabbaus, der wiederum mit dem Verlust der Interdentalpapille einhergeht.
In der koronoapikalen Ebene sollte bei „Platform-geswitchten“ Implantaten der Abstand zur Schmelzzementgrenze des kontralateralen Zahnes 3 bis 4mm betragen. Wird das Implantat tiefer gesetzt, ist auch hier ein unerwünschter fazialer Knochenabbau mit nachfolgender Gingivarezession die Folge. Die Komfortzone in orofazialer Ebene befindet sich 1,5 bis 2mm oral des optimalen Austrittspunkts der späteren Implantatkrone. Wird dieser Bereich nach vestibulär verlassen, sind Weichteilrezessionen die Folge. Sitzt das Implantat zu weit oral, wird eine Krone erforderlich, die den Gingivalsaum überdeckt. Bei der GBR wird die freiliegende Implantatoberfläche zuerst mit einer Schicht aus autologem Knochen bedeckt. Darauf wird mit einem Knochenersatzmaterial die Kontur des zu rekonstruierenden Areals nachgeformt und zuletzt eine Membran über den Bereich gelegt. Autologes Material lässt sich in der Regel mit einem Knochenkratzer (entweder als Einmalartikel für größere Mengen oder als sterilisierbares Instrument für geringere Mengen) gewinnen. Oftmals reichen aber auch schon die Knochenspäne, die bei der wasserlosen, niedrigtourigen Bohrung des Implantatstollens gesammelt werden können.
Um erfolgreich Knochenregeneration auf der freiliegenden Oberfläche des Implantats stattfinden zu lassen, ist darauf zu achten, dass das Knochenlager, das die freiliegende Implantatoberfläche umgibt, eine Neuanlagerung von Knochen begünstigt. Damit es durch den aufgebrachten autologen Knochen tatsächlich zum Ausbilden einer durchgehenden Knochenschicht kommt, ist es günstig, wenn ein zweiwandiger Defekt vorliegt. In diesem Fall ist die Distanz, die der aufgebrachte Eigenknochen überbrücken muss, geringer und somit die Chance auf ein erfolgreiches „Bridging“ höher. Je länger also der Verlust des Zahnes zurückliegt, desto weiter ist die vestibuläre Resorption fortgeschritten und ein Einwanddefekt entsteht. Das erfolgreiche Bridging wird dadurch umso weniger vorhersagbar. Zur Abdeckung des Augmentats sind resorbierbare Kollagenmembranen besonders gut geeignet. Zwar ist die Standzeit mit vier bis acht Wochen relativ gering, reicht jedoch für das GBR-Verfahren aus, da die Einheilphase hier zwischen 6 und 12 Wochen liegt.
Die in der Vergangenheit zu diesem Zweck verwendeten titanver­stärkten ePTFE-Membranen (expanded polytetrafluorethylene) finden heute zunehmend weniger Verwendung. Grund dafür ist die deutlich schwierigere Handhabung, das erheblich erhöhte Risiko von Naht-Dehiszenzen über der Membran sowie der nötige Zweiteingriff zur Membranentfernung.
Die Länge der Einheilzeit hängt von der Größe des Knochendefekts ab. Situationen, bei denen der vestibuläre Knochen vollständig erhalten ist und ein dreiwandiger Defekt besteht, können nach sechs Wochen freigelegt werden. Bei vestibulären Knochendefekten von bis zu 2mm Höhe sind acht Wochen Einheilzeit empfehlenswert, bei 3 bis 5mm Defekt zehn Wochen und bei 6 und mehr Millimetern sollten 12 Wochen abgewartet werden
Falldarstellung
Eine 23-jährige Patientin suchte die Praxis auf, weil ihr eine Rötung und leichte Schwellung des Zahnfleischs an Zahn 11 aufgefallen war. Zudem berichtete die Patientin über einen schlechten Geschmack im Bereich der OK-Front.
Bei der klinischen Untersuchung wies der Zahn 11 isoliert vestibulär eine Sondierungstiefe von 11mm auf. Bei vorsichtigem Abhalten der Gingiva war unter Lupenvergrößerung ein vertikaler Riss im Zahn zu erkennen, wohl als Folge der sehr ausgedehnten Wurzelfüllung (Abb. 1). Die Patientin wurde über die Notwendigkeit der Entfernung aufgeklärt. Da die Patientin eine Brückenversorgung aus Sorge um die gesunden Nachbarzähne ablehnte, wurde eine Implantation mit simultanem Knochenaufbau geplant. Die ästhetische Risikoanalyse ergab folgendes Profil: Hohe Lachlinie bei dünnem gingivalen Biotyp. Sehr ausgeprägter horizontaler Knochendefekt Regio 21 mit stabiler ver­tikaler Knochenhöhe an den Nachbarzähnen. Die Wurzeln der Zähne 21 und 22 lagen sehr nah beieinander. Die Patientin ist Nichtraucherin, ihre Ansprüche an das Ergebnis waren sehr hoch. Die Extraktion von Zahn 11 erfolgte unter örtli­cher Betäubung möglichst atraumatisch, um die umliegenden Strukturen zu schonen (Abb. 2). Nach der Entfernung des Granulationsgewebes ließ sich die knöcherne Alveole gut austasten und der vestibuläre Defekt bis kurz vor die Wurzelspitze bestätigte sich. Es wurden zwei Kol­lagenkegel (PARASORB® Dentalkegel, RESORBA®) eingebracht und die Krone des entfernten Zahnes wurde zum Provisorium umgearbeitet und eingeklebt (Abb. 3).
Nach sechs Wochen erfolgte dann die Im­plantation. Das Weichgewebe war zu diesem Zeitpunkt gut verheilt (Abb. 4), von inzisal ließ sich deutlich eine vestibuläre Einziehung erkennen (Abb. 5). Der Schnitt erfolgte auf Kieferkammmitte. Mesial ging die Schnittführung in Verlängerung des mesialen Lineangels von Zahn 21 parallel zum Lippenbändchen ins Vestibulum, um eventuelle Narbenzüge kaschieren zu können. Der distale Schnitt wurde in Verlängerung des mesialen Lineangels von 12 angelegt. Der Vorteil dieser Schnittführung ist, dass sich auch größere vertikale Lappenverschiebungen sehr gut durchführen lassen, ohne dass es zu einem erkennbaren Versatz am Gingivarand kommt. Nachdem der Defekt bis nach apikal gut dargestellt wurde (Abb. 6) erfolgte zuerst die Periostschlitzung. Findet die Entlastung zu so einem frühen Zeitpunkt in der OP statt und nicht erst kurz vor dem Wundverschluss, ist die Blutung aus dem Periost bis zur Nahtversorgung schon zum Stillstand gekommen und die postoperative Schwellung deutlich geringer. Bei der Präparation des Implantatstollens wurde mit niedriger Drehzahl und ohne Wasserkühlung gearbeitet. Auf diese Weise ließ sich die Richtung der Bohrung besser steuern, was wegen der sehr eng stehenden Wurzel von Zahn 12 entscheidend war. Außerdem war es so problemlos möglich, autologen Knochen für die spätere Implantatabdeckung zu sammeln.
Nach Einbringung des Implantats (DENTSPLY Friadent ANKYLOS; Größe B14) wurde die freiliegende vestibuläre Oberfläche mit autologen Knochenspänen bedeckt. Diese wurden zum Großteil aus dem Bohrloch und zum Teil mithilfe eines Bone Scrapers aus der Umgebung gewonnen. Danach wurde mit Bio-Oss (Geistlich Bio-Oss®; kleines Granulat – 0,25mm– 1mm) eine zweite Schicht auf den autologen Knochen aufgebracht und die Kontur des Alveolarknochens so rekonstruiert. Über den Aufbau wurde eine Bio-Gide-Membran (Geistlich Bio-Gide®; resorbierbare Bilayer-Membran 25 x 25mm) gelegt. Die Applikation erfolgte doppellagig, um die relativ geringe Standzeit von sechs Wochen zu verlängern.
Der Lappen wurde mit zweischichtiger Nahttechnik spannungsfrei adaptiert (SABAfil® USP 4-0; http://www.sabana.de/atraumatisches-nahtmaterial/nicht-resorbierbares-nahtmaterial/nahtmaterial-nylon-sabafil/produkt/single/sabafil.htmlSABANA®) (Abb. 7–12). Nach dem Eingriff wurde die Patientin mit einer herausnehmbaren Prothese versorgt. Nachdem die Nähte nach zehn Tagen entfernt worden waren, wurde das Klebeprovisorium wieder eingegliedert. Die Freilegung erfolgte nach 3,5 Monaten. Weitere drei Wochen später erfolgte die Abformung und die Versorgung des Implantats mit einer Vollkeramikkrone auf einem Keramikabutment (Abb. 13).
Fazit
Die Rekonstruktion von verloren gegangenem Knochen zeitgleich zur Implantation ist mit der Technik der Guided Bone Regeneration sehr zuverlässig möglich. Speziell in der ästhetischen Zone lassen sich mit dieser Methode sehr vorhersagbare Ergebnisse erzielen. Wichtige Voraussetzung, um ästhetisch befriedigende Ergebnisse zu erreichen, ist allerdings die akkurate Einhaltung bestimmter Regeln. So sollte das gesetzte Implantat in allen drei räumlichen Ebenen die sogenannte Komfortzone nicht verlassen. Zudem sollte für die GBR-Technik vor allem im vestibulären Bereich ausreichend Knochen für ein Bridging vorhanden sein. Berücksichtigt man all diese Aspekte, sind ästhetisch perfekte und dauerhaft stabile Ergebnisse sehr gut möglich. Aufgrund der geringen Morbidität und OP-Belastung sowie der langzeitstabilen Resultate findet dieses Vorgehen auch beim Patienten große Zustimmung.

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